Um zu verstehen, in welchem Kontext Aiki-Djutsu zu Aikido und Jujutsu steht, muss man die historische Entwicklung dieser „modernen Kampfsportarten“ betrachten. Tatsächlich kann Aiki-Djutsu als Vorläufer oder auch Quelle betrachtet werden. Es gibt zumindest 2 verschiedene Schreibweisen, welche sich in der gängigen Literatur finden lassen: Aiki-Djutsu und Aikijutsu. Beide Bezeichnungen beziehen sich auf den Bereich der „Pre-Aikido-Zeit“, also alles vor den frühen Jahren des 20.Jahrhunderts.

Der folgende Text ist dem Buch KEMPO - Die Kunst des Kampfes von A. Dolin unter Mitarbeit von G. Popow entnommen.

Das moderne Aikido, das die Grenzen Japans überschritten und dank der Bemühungen Ueshibas und seiner Nachfolger die Welt erobert hat, geht in seinen Ursprüngen auf die alte „Kunst der Konzentration der Lebenskraft“ der Daito-Schule (Daitoaikijutsu) zurück.

Die Legende bringt das Auftauchen dieser Schule mit dem Namen des Prinzen Tei-jun, des sechsten Sohnes von Kaiser Seiwa (Regierungszeit 859-877), in Verbindung. Ende des 11. Jahrhundert wurde Sa-buro Yoshimitsu, der jüngste Bruder des mächtigen Mina-moto Yoshiie, zum Wahrer der Kunst des Aikijutsu. Zu dieser Zeit - so berichten die Historiker - wurden bereits die Grundlagen des modernen Aikido gelegt.

Yoshimitsu, der die klassische Samurai-Ausbildung erhalten hatte und in vielen traditionellen Kampfkünsten erfahren war, verbesserte viele Verfahren. Es ist keineswegs erstaunlich, dass sich in seinen Neueinführungen in erster Linie die Ergebnisse biologischer Experimente widerspiegelten. Als .Archetyp" des Systems von Yoshimitsu diente die schwarze Spinne, die flink ihr Spinnennetz spannt, um Fliegen zu fangen. Bekannt ist auch, dass Yoshimitsu ein Anhänger der pathologischen Anatomie war.

Er sezierte Leichen auf dem Schlachtfeld Gefallener oder hingerichteter Verbrecher, überprüfte seine Beobachtungen anhand chinesischer Medizinlehrbücher und stellte lebenswichtige Körperpunkte {Kyusho) fest. Da sich die Tätigkeit des adligen Enthusiasten für das Aikido in der Epoche härtester kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen dem Taira-und dem Minamoto-Clan abspielte, steht außer allem Zweifel, dass sich diese Experimente nicht nur auf Insekten und Leichen beschränkten - stand doch ringsum genügend lebendes „Material“ zur Verfügung. Nach Daito, dem Erbhof Yoshimitsus, erhielt die Schule schließlich ihre Bezeichnung Daitoryu.

Yoshikiyo, der zweite Sohn Yoshimitsus, erbte das riesige Lehen in der zentralen Provinz Kai und erhielt den Namen Fürst Takeda. Seine Nachkommen hüteten sorgsam die ererbte Kunst des Kampfes und gaben das Aikijutsu von Generation zu Generation weiter. Im Jahre 1574 war der Fürst Takeda Kunitsugu infolge lang anhaltender blutiger Auseinandersetzungen gezwungen, zusammen mit seinem Clan nach Nordosten zu übersiedeln. Er ließ sich in der Region Aiju nieder, wo das Aikijutsu unter dem Namen Aijutodome eine prächtige Blütezeit erfuhr.

In der Regierungsepoche der Tokugawa bis zum Sturz des Shoguns in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten nur wenige Samurai des Takeda-Clans zu den Geheimnissen des Aikijutsu Zutritt. Als nach 1868 das Feudalsystem abgeschafft worden war, wurde der verarmte Leiter des Clans, Takeda Sokaku, schließlich ein berufsmäßiger Jujutsu-Lehrer. Nach langer unsteter Wanderschaft ließ er sich endgültig in Hokkaido nieder. Aus vielen Provinzen strömten nun viele Schüler, die von den Wundern des Aijutodome gehört hatten, zu Sokaku. Sein Sohn Takeda Tokimune eröffnete schließlich in Abashiri die Schule Daitokan.